Eine alte Stadt an der algerischen Küste. Sommer, Sonne, das Meer und viel Licht. Es scheint eine wichtige Phase seines Lebens gewesen zu sein, in der er sich außerordentlich wohl fühlte. Camus schrieb diese Texte - tatsächlich - im Winter nach seiner Pariser Zeit und der Heimkehr an seinen geliebten Ort: Tipasa. In diesem "tiefen Winter", im Rückblick auf dieses "Schöne", auf sein Erlebtes, dürfte ihm anscheinend bewusst geworden sein, welche Lebenskraft er hier empfunden und für sein Leben "mitgenommen" hatte. Lebenskraft, die ihn getragen hat - durch seine Herausforderungen des Lebens.
Hören statt lesen? OriginalWerk-PodcastHerausforderungen UND dennoch
Sein Vater starb früh im 1. Weltkrieg. Seine Mutter zog ihn alleine groß und unterhielt ihre Familie als Fabriksarbeiterin und Reinigungskraft. Camus hatte bereits früh mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, er litt an Lungentuberkulose. Seine erste Frau Simone Hié war morphiumsüchtig. Camus versuchte die Ehe zu retten und ging mit Simone auf Reisen - doch die Sucht war stärker, es kam zur Trennung. Im Laufe des 2. Weltkrieges lag er als Reporter der Alger républicain im ständigen Streit mit der eingeführten Zensurbehörde und engagierte sich im Widerstand gegen die Nazis. Zahlreiche Erfolge, aber auch Misserfolge, sowie erlebter Widerstand säumten seine Werdegang als Schriftsteller und Intellektueller. Seine langjährige Freundschaft mit Jean-Paul Sartre endete beispielsweise in einem schweren Zerwürfnis und durch sein politisches Engagement gelangte er allzu oft zwischen "Interessens-Fronten" - und so weiter und so fort (Wikipedia, 2021).
Viele, viele Herausforderungen und Brüche, die sich noch fortsetzen ließen UND(!) dennoch - Albert Camus wurde zu einem der bekanntesten und bedeutendsten französischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Vielseitig in seinem Werk - Schriftsteller, Philosoph und Religionskritiker. 1957 erhielt er für sein publizistisches Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur. Was hat Ihn durch diese Herausforderungen des Lebens getragen? Wie hat er es geschafft trotz zahlreicher - auch körperlicher - Hindernisse und Erschwernisse ein derartiges Werk zu hinterlassen. Vielleicht war unter anderem seine Zeit in Tipasa, das damals Erlebte, dieser Ort, dieses Lebensgefühl, ein Stück weit stützend und kraftspendend - als hilfreiche "Seite seines Selbst", als immerwährende Quelle eines inneren "unbesiegbaren Sommers". Was kann tragen?
In diesen "schrägen Zeiten" kann es manchmal - nicht immer - hilfreich sein, sich ab und an bewusst zu machen, hinzuschauen, was einen selbst trägt. Vielleicht "wohnt", ähnlich wie bei Albert Camus, ein "unbesiegbarer Sommer" in uns, den es (wieder) zu entdecken gilt. Wo und wie lässt sich dieser möglicherweise finden?
Zum Beispiel im Vergangenen: ein Blick auf das bereits Gelungene, Bewältigte, auf das erlebte Schöne oder auf stärkende Begegnungen. Viktor Frankl der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse spricht in seinem Zeitfluss-Model von den sogenannten "Verwirklichungen", unseren bisher "realisierten Möglichkeiten". Diese sind nicht hin und weg, im "Äther" der Vergangenheit verloren - im Gegenteil. Frankl bietet eine alternative Sichtweise an. Unsere "Verwirklichungen" sind unverlierbar geborgen, hineingerettet in unsere Vergangenheit - in unserer "Scheune des Lebens" (Gruber, 2021). Diese Scheune ist mit der reichen Ernte unseres bisherigen Lebens gefüllt - mit für uns Tragendem. All das bereits Geerntete kann uns Sicherheit geben. Eine tröstende Vorstellung, vor allem in diesen "schrägen" Zeiten. Alleine darüber nachzudenken was trägt, erzeugt in mir eine dankbare Stimmung. Mich trägt beispielsweise das Bild der Weite des Marchfelds - mein Herkunftsort. Mich trägt der Stolz auf bewältigte Anstrengungen - auf Er- und Überlebtes ("Krieg der Kindheit"). Ich denke an die offenen Ohren und Arme wichtiger Anderer und an tragende Momente des Staunens mit "meinen" Kindern (die gehören sich grundsätzlich ja selbst, deshalb unter Anführungszeichen). Mir kommen Momente der Veränderung, des Muts in den Sinn, die ich gemeinsam mit Kund_innen erleben durfte. Und wenn ich an diese tragenden Erlebnisse, an das bereits "Verwirklichte" denke, dann gelingt es mir, zumindestens ein klein wenig und trotz dieser "schrägen" Zeiten, einen neugierigen und tragenden Blick in die Zukunft zu werfen: Wer weiß was da noch wartet? Wer weiß was noch kommt? Auch ein Blick in die Zukunft kann also tragen(!) - spannend. Noch etwas - wenn wir schon dabei sind. Gerade eben, hier und jetzt: Der Kaffeegeruch des frischen Espressos, die warme Kaffeetasse in meiner Hand. Ein ruhiger, einfacher Moment mit mir und da: Eine Kohlmeise landet auf der Terrasse. Sie hoppelt herum und sammelt Ästchen für ihr Nest. "Schön" denke ich mir - dieser Augenblick trägt. Was trägt dich?
Manchmal kann es hilfreich sein gemeinsam zu forschen, was einen trägt, um wieder Kraft zu entwickeln für das hier und heute und die Gestaltung des eigenen Lebens.
Mehr zum Coaching-Angebot von OriginalWerk finden Sie hier.
Quellenverzeichnis
0 Kommentare
Ihr Kommentar wird veröffentlicht, sobald er genehmigt ist.
Antwort hinterlassen |
AusrichtungIn diesem Blog verschriftliche ich hilfreiche Impulse im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit im Life- & Business-Coaching, Counseling, Sparring: Persönliche Erlebnisse, Inspirationen, konkrete Anregungen für Ihren persönlichen Weg der Selbstsorge und ein gutes Miteinander.
Falls Sie lieber hören, statt lesen - gerne! Ausgewählte Beiträge stehen Ihnen auch im OriginalWerk Podcast "Selbstsorge-Impulse" zur Verfügung. Informationen zum Angebots-Spektrum von OriginalWerk, sowie meinem Hintergrund finden Sie unter:
www.OriginalWerk.at Viel Freude beim stöbern wünscht Ihnen, Mag. (FH) Gregor Butz Archiv
Juni 2024
Kategorien
Alle
|